„Wiesn in den Duden“ oder besser „Dudn“? Horst Seehofer hat die bairische Seele angesprochen, als er dies forderte. Die Dudenredaktion prüft jetzt. Wie unsere Alltagssprache unsere soziale und wirtschaftliche Realität prägt, und wie das tägliche Miteinander unsere Sprache beeinflusst, darüber wird viel geforscht und geschrieben. Die Neulinge im Duden werden jedes Mal öffentlich heftig diskutiert. In diesem Jahr sind die Aufreger Begriffe wie Fakenews, Selfiestick, Lügenpresse, tindern oder Emoji.
Lebendige Sprache
Ob es uns gefällt oder nicht – diese Begriffe sind in den deutschen Sprachgebrauch übergegangen. Hierzulande wächst der Wortschatz jedes Jahr um rund 23.000 Wörter an, schätzen Sprachwissenschaftler. Das Tempo, in dem sich Sprache verändert, steigt ständig. Warum ist das so? Wir sind mobiler und in der Welt unterwegs. Einflüsse anderer Kulturen, die vielzitierte Globalisierung der Wirtschaft und die Kommunikation über soziale Netzwerke haben einen großen Einfluss auf unsere Sprechgewohnheiten und unser Vokabular.
In der Sprache spiegelt sich die zunehmende Abgrenzung kleinerer Gruppen wider, die in dieser großen Welt Verortung und Heimat suchen. Sprache markiert Zugehörigkeit. Chemiker, Mediziner, IT-Spezialisten, Börsenmakler, Top-Manager – sie nutzen eine Fachsprache, die oft nur noch sie selbst entschlüsseln können. Auch lokal entwickeln sich Sprachen und Slangs. Ja, selbst Jugendsprache hat unzählige Spielarten. Unternehmen entwickeln eigenen Sprachen und dokumentieren dieses sogenannte Corporate Wording in Handbüchern oder Wikis. Sprache stiftet Identität und das betrifft den Kern professioneller Kommunikation – der PR.
Sprache der Zielgruppen sprechen
Wie kommen wir mit unseren Zielgruppen ins Gespräch? Wir müssen ihren Wortschatz, ihre Ausdrucksweise und Redewendungen kennen. Um wahr und ernst genommen zu werden, reicht es jedoch nicht, einfach die eigenen Botschaften in „Fremdsprachen“ zu übersetzen. Kommunikatoren müssen wissen, welche Argumente, Sprachbilder und welche Buzz Words verfangen, um die Aufmerksamkeit ihrer Zielgruppen zu bekommen. Und das, ohne die eigene Identität zu verleugnen oder gar anbiedernd zu wirken. Wir Menschen haben feinste Antennen, um zu erspüren, ob ein Kommunikationsangebot, ein Text, ein Nachfrage oder ein flotter Spruch authentisch ist oder nicht.
Was können wir tun, um diese Sprachen zu erlernen? Lesen, lesen, lesen und zuhören, zuhören, zuhören. Das Internet hilft dabei. Diskussionsbeiträge der von uns avisierten Zielgruppen werden auf entsprechenden Seiten und Online-Plattformen millionenfach gespeichert. Eine gruppenbezogene Auswertung kann unterstützen, die richtige Ansprache zu finden.
Sprache als Werkzeug
Sprache ist das zentrale Werkzeug der PR-Profession. Wenn unsere Botschaften an der Zielgruppe vorbeigehen, wenn Medien nicht mehr glaubwürdig sind, wenn Menschen den Nachrichten nicht mehr vertrauen, wenn Selfies als Momentaufnahmen die differenzierte Meinungsäußerung ersetzen, dann verändert sich unser Job. Als professionelle Kommunikatoren und Interessensvertreter müssen wir darauf achten, nicht zu reinen Sprachrohren und Kurznachrichten-Automaten zu werden und unsere redaktionellen Aufgaben nicht an Textroboter zu verlieren. Dafür ist es wichtig, die eigene Haltung zum PR- und Kommunikationsberuf regelmäßig zu reflektieren und sich auszutauschen. Wie organisieren wir Aufmerksamkeit? Was und wie denken unsere Zielgruppen und Stakeholder? Wie prägt Sprache ihr Denken? Wie müssen wir unsere Botschaften formulieren, damit sie verstanden werden können? Wie können wir unsere eigene Sprachkompetenz erweitern? Wie kann uns Big-Data nützlich sein? Wir werden mehr denn je über Sprache und Sprachkultur sowie über die technischen Analyse- und Einsatzmöglichkeiten nachdenken müssen.
Der rote Faden beim DIPR: praxisnahe Vermittlung, Qualität und Reflexion
Die Reflexion über die Kernthemen wie Sprachkulturen, Digitalisierung, Zielgruppenbezug und Qualität von Sprache zieht sich wie ein roter Faden durch unsere Grundseminare beim DIPR. Wir setzen nicht einfach auf schnelle Tricks und Tipps, sondern schaffen Raum für Diskussionen über aktuelle Themen. Wir belassen es nicht bei kurzen Textübungen, sondern vermitteln ein vertieftes Verständnis von Sprache. Wir nehmen uns die Zeit, die es für gute Ausbildung braucht. Mit diesem Beitrag eröffnen wir unseren DIPR-Blog, in dem wir in regelmäßigen Abständen Anregungen und Denkanstöße für gute PR-Ausbildung geben.
Übrigens: Die nächste Wiesn kommt bestimmt, und wer unter Umgehung aller sprachlicher Fettnäpfchen erfolgreich auf die Wiesn gehen will, findet hier das ultimative Wiesn-Wörterbuch der Süddeutschen Zeitung.
Bücher zum Thema Sprache gibt es wie Sand am Meer. Meine beiden Leseempfehlungen sind:
George Lakoff, Elisabeth Wehling: Auf leisen Sohlen ins Gehirn, 2016
Wolf Schneider: Deutsch! Das Handbuch für attraktive Texte, 2011
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